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SEAT MapCare: The care is a lie?

Tech Story
[TL;DR]: Ihr habt einen SEAT aus den Jahren ca. 2016 bis 2019, wollt das Navi (nicht Navi Plus!) updaten und wisst nicht, ob ihr MapCare habt oder nicht? Kurze Antwort: ja, ihr hattet (ziemlich sicher) welches, aber es ist (ziemlich sicher) schon lange abgelaufen. Ist aber egal, fragt mal das Internet. Und macht vorher ein Backup eurer SD-Karte.

Wer ein Fahrzeug des VAG-Konzerns, genauer gesagt der Marken VW, Skoda oder SEAT, aus den Baujahren 2015 bis 2019 mit Navigationssystem sein eigen nennt, wird sicher früher oder später darüber gestolpert sein: man kann das jeweils aktuelle Kartenmaterial des Navigationssystems kostenlos von der Website des Fahrzeugherstellers herunterladen und somit sein Navi über die mitgelieferte SD-Karte jederzeit kostenlos auf dem aktuellen Stand halten.

So weit die Theorie, so weit technisch (eigentlich) einfach. ZIP-Datei runterladen, SD-Karte aus dem Auto raus und rein in den PC, Karte formatieren, Inhalt der neuen ZIP-Datei auf die Karte entpacken, und los geht’s.

Wären da nicht die Ideen der Autohersteller (insbesondere: der BWL-Strategen ebendort), die Verwendung beliebiger SD-Karten zu erschweren (Kopierschutz? Service-Fälle wegen ausfallender Billig-SD-Karten minimieren?) und vor allem: den Markt auch in diesem Bereich nochmal in Segmente zu unterteilen.

Zunächst einmal: es gibt für den Bauzeitraum zwischen ca. 2015 und 2019 zwei Arten von Navigationssystemen: das „Standard“- und das „High“-Navi. Das Standard-Navi heißt bei den verschiedenen Herstellern unterschiedlich, zum Beispiel „Discover Media“ (VW), „SEAT Navi“ bzw. „Navi 6P0“ (SEAT) oder „Amundsen“ (Skoda), wird/wurde von Technisat (Preh TechniSat Car Connect GmbH) gefertigt und heißt intern auch „MIB 2 Standard“ oder „MST2“.

Das „High“-Navi heißt je nach Hersteller „Discover Pro“ (VW), „SEAT Navi Plus“ (SEAT), „Columbus“ (Skoda) und wird intern als „MIB 2 High“ oder „MHI2“ bezeichnet. Gefertigt wurden diese Einheiten von Harman Becker Automotive Systems (ehemals Becker).

Und so sieht (sah) es dann in der offiziellen Kommunikation der Marken im Jahr 2017 aus:

  • Für das Kartenmaterial kann im „Standard“-Navi immer nur die mit dem Fahrzeug mitgelieferte SD-Karte oder eine nachgekaufte Original-SD-Karte des Fahrzeugherstellers verwendet werden (Begründung: Nur diese Karten sind getestet und dafür zertifiziert, den hohen thermischen und mechanischen Belastungen im Fahrzeug standzuhalten). Technisch wird dies über eine Abfrage der CID realisiert.
  • Bei Volkswagen: du darfst für „mindestens 3 Jahre“ nach Erstzulassung (das wurde je nach Händler nie näher spezifiziert) von der VW-Homepage nach Registrierung neue Karten runterladen, auf deine Original-SD-Karte laden und ab geht’s.
  • Bei Skoda: das gleiche, nur ist keine Registrierung nötig; dafür muss vor dem Download die Fahrgestellnummer (VIN) eingegeben werden. Offiziell war hier nie von einer Zeitbegrenzung der möglichen Updates die Rede, also im Prinzip sollte es eine „Lifetime“-Karten-Update-Garantie sein
  • Und jetzt kommt SEAT: Hier wurde nochmal differenziert (Stichwort Marktsegmentierung), und zwar je nachdem, ob beim Kauf des Fahrzeugs die Option „SEAT MapCare“ mitbestellt wurde oder nicht. Wenn ja: es ist angeblich so wie oben, also bei VW und Skoda. Update – kein Problem, go for it (für den Download der Karten ist bei SEAT nicht einmal irgendeine Anmeldung oder Eingabe der VIN nötig, die Karten sind auf www.seat.de frei herunterladbar). Wenn nein: keine Chance. Angeblich. (Und wenn du doch das Update auf deine SD-Karte lädst und kein Backup gemacht hast: Sorry, no Navi no more).

So weit die Theorie und das Marketing. Und jetzt wird es interessant: kauf mal einen Gebrauchtwagen, wie in unserem Falle einen SEAT Leon ST FR von 2017, aus zweiter oder dritter Hand und versuche herauszufinden, ob der Erstbesitzer damals „MapCare“ bestellt hatte oder nicht. Spoiler alert: schwierig. Aber auch Spoiler alert: je nach Navi ist es egal, aber der Reihe nach.

Hat man kein SEAT MapCare (und sagen kann einem das angeblich nur ein SEAT Händler, wenn man mit dem Wagen vorfährt und/oder die VIN nennt), so warnt SEAT auf seiner Homepage ausdrücklich davor, die Navigationsdaten herunterzuladen und auf seiner Original-SD-Karte zu überschreiben. Denn dann, so SEAT, seien die Navigationskarten unwiederbringlich zerstört und eine Nutzung im Fahrzeug ist nicht möglich. Nachkaufen von MapCare ist angeblich ebenfalls nicht oder nur zu horrenden Preisen (man munkelte vor Jahren mal was von 500 EUR) möglich.

Immerhin: es wird erklärt, wie man ein Backup von der Navi-SD-Karte macht (trivial – es reicht einfach, die enthaltenen Dateien komplett in einem Ordner auf dem PC oder einer externen Festplatte zu sichern) und im Fehlerfalle diese einfach wieder zurückspielt. Das sollte man auch tunlichst machen!

Wenn man aufpasst und ein Backup hat, kann einem so also nichts passieren.

Beste Voraussetzungen für Experimente, Deep Dive und ein bisschen Spaß am Gerät, oder? ?

Ein kleines bisschen Recherche im Netz und eigenes Probieren mit verschiedenen heruntergeladenen Kartenversionen (offiziell bei den Herstellern möglich und natürlich auch bei einschlägigen Web-Archiven in älteren Versionen vorhanden) zeigt schnell auf: auch ohne MapCare kann man etwas neuere als die Original-Karten durchaus verwenden, nur eben bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Aha!

Further down the rabbit hole wird man dann fündig und liest: die Tatsache, ob und wie lange (besser gesagt: wie oft bzw. wie viele Versionen in die Zukunft) man seine Karten updaten „darf“, ist über einen sogenannten „Feature Enablement Code“ (FEC) im Infotainmentsystem hinterlegt. Diese Codes sind Teil der vom VAG-Konzern als „Software as a Product“ (was für ein Name, oder?) – abgekürzt „SWaP“ – betitelten Strategie.

Und jetzt komm ich so langsam zur Pointe: da man sich mit sehr wenig Aufwand (langes Drücken der Menütaste und Auswahl der entsprechenden Option im erscheinenden Service-Menü) anzeigen lassen kann, welche FEC-Codes im eigenen Navi aktiviert sind und welche das System potentiell erkennen würde, kann man sich mit etwas Rumfragen im Freundeskreis recht einfach ein Bild machen, was bei welchen Fahrzeugen freigeschaltet ist und was nicht.

Bei SEAT-Fahrzeugen mit Standard-Navi ohne MapCare ist hier z.B. der Code 07400008 freigeschaltet. Laut Recherchen bedeutet dies: es sind 8 Karten-Updates möglich, oder anders gesagt: das Navi lädt Navigationsdaten, deren Versionsnummer maximal um 8 Nummern höher ist als die der auf der Original-SD-Karte hinterlegten.

Moment mal, und wie war das mit dem MapCare? War da nicht genau von „mindestens 3 Jahren“ Updates (bei zwei Updates pro Jahr also ungefähr 8 Updates) die Rede?

Und tatsächlich: vergleicht man das mit den Codes, die bei vergleichbaren Skoda- und VW-Fahrzeugen und auch bei SEAT-Fahrzeugen mit MapCare (aber Standard-Navi) serienmäßig installiert sind, stellt man fest: auch hier ist der entsprechende Code immer mit …008 hinterlegt (die Anfangsziffern unterscheiden sich ggf. bei VW und Skoda).

Und here’s the Point: so weit ich es sehe, gibt es scheinbar bei SEAT-Fahrzeugen mit dem „Standard“-Navi auf dem Gebrauchtmarkt, also „in the Wild“, keinen Unterschied zwischen Fahrzeugen mit und ohne MapCare.

So sieht’s aus. The care is a lie!

(Meine Aussagen basieren auf eigenen Erfahrungswerten und haben keinen rechtsverbindlichen Charakter, sie sollen auch nicht implizieren, dass SEAT zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwelche unwahren oder irreführenden Aussagen gemacht hätte; ich jedoch war durch die offiziellen SEAT-Informationen durchaus verwirrt).

Vermutlich basiert all die Verwirrung im Internet und auch bei Händlern auf einem großen Missverständnis: SEAT MapCare wurde vor allem für das SEAT Navi Plus angeboten. Hier verhält sich nämlich alles komplett anders. Also wirklich alles. Denn: das Navi hat eine interne Festplatte, auf die die Navigationsdaten kopiert werden, wenn man eine SD-Karte mit Navi-Daten einlegt. Man kann hierfür auch ein beliebige, eigene SD-Karte verwenden; sie wird danach auch nicht mehr benötigt, die Karten werden ja in den internen Speicher kopiert. Auch hier kann man die Daten kostenlos von der offiziellen SEAT-Website herunterladen und dann – sofern man MapCare hat – auf das Navi überspielen.

Aber: hier gibt es wohl tatsächlich Fahrzeuge mit „verlängertem“ oder gar „lebenslangem“ MapCare (der FEC-Code endet in diesem Fall wohl auf …EE und würde somit EEhex = 238dec Updates erlauben). Und, nun ja, anders bekommt man auch gar keine aktuellen Navi-Karten mehr auf diese Systeme. Ohne MapCare hat man hier also (wenn man nicht noch tiefer und dann durchaus auch in nicht ungefährliche Regionen „hinabsteigen“ möchte, siehe weiter unten) keine Chance.

Beim Standard-Navi nach offizieller Sprachregelung ja auch nicht: denn eigentlich ist bei jedem Fahrzeug „in the wild“, wenn man sich mal die Baujahre des MIB2-Navi ansieht, das MapCare (oder auch „nicht-MapCare“…) mit seinen immer 8 erlaubten Updates längst „abgelaufen“.

Was macht man da jetzt nun? Tja, ich will hier keine expliziten Anleitungen geben, denn etwas Experimentierfreude setze ich bei meinen Lesenden schon noch voraus und die profunde Fähigkeit zur Websuche.

Nur so viel: Mit einem normalen „MIB2 Standard“ bekommt man auch alle brandaktuellen Navi-Karten von der SEAT-Homepage (übrigens: die Dateien von SEAT, Skoda und VW sind vollkommen identisch) ans Laufen, sofern sie auf die Karte passen (die alten Karten sind mit 16 GB nämlich mittlerweile zu klein für ganz Europa, aber zum Glück bieten die Hersteller auch unterteilte Länderpakete an) – MapCare hin oder her.

Wichtig ist nur, dass man ein Backup der Original-SD-Karte hat. Ganz wichtig. Man braucht nur eine einzige Datei von der Original-Karte, aber die braucht man. Wie gesagt, MapCare hin oder her. Oder im Klartext: auch wenn ihr damals MapCare gebucht habt, müsst ihr den von mir jetzt mehrfach angedeuteten Trick bzw. Workaround (googelt einfach mal kreativ) mittlerweile anwenden, wenn euer Fahrzeug z.B. von 2017 ist. Ich glaube, mittlerweile ist das bei allen in Frage kommenden Fahrzeugen ausgelaufen.

Da SEAT das Update aber ja genau für Käufer der MapCare-Option bereitstellt, die ohne den Trick mittlerweile dennoch in die Röhre schauen, halte ich die Anwendung des Tricks im Übrigen für völlig legitim und unbedenklich und mir ist sogar zu Ohren gekommen, dass mittlerweile auch einige Autowerkstätten ihren Kunden dazu geraten haben sollen, genau so zu verfahren.

Wie gesagt: ich spreche vom normalen SEAT Navi und einem technisch völlig harmlosen, auch nicht durch irgendwelche EULAs oder das Urheberrecht ausgeschlossenen (im Sinne von: Reverse Engineering oder Disassemblierung usw.) Vorgang. Es wird einfach nur eine Datei aus dem Downloadpaket nicht mit entpackt und stattdessen die entsprechende Datei genutzt, die sich vorher schon auf der Original-SD-Karte befand. Easy. Safe. (Backup machen!).

Anders sieht es freilich beim SEAT Navi Plus aus, bei dem dieser Trick nicht funktioniert und man bei ausgelaufenem oder nicht vorhandenem MapCare den Weg zum Händler suchen muss, wenn man nicht mit (durchaus möglichen, aber sowohl technisch als auch rechtlich durchaus nicht unbedenklichen) Dingen wie Patchen der Firmware anfangen will (wovon ich aus den genannten Gründen ausdrücklich abrate). Das soll’s dann an dieser Stelle dazu auch gewesen sein…

Habt noch einen schönen Sommer!

Von fabian

Fabian Schneider, Betreiber von FABIANS WEBWORLD und diesem Blog.

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